Unterscheidbarkeit und soziale Gerechtigkeit
Die soziale Gerechtigkeit gibt es nicht, - Politiker, die dies fordern beweisen damit, daß sie nicht denken können.
Ich weiß aus langjähriger Erfahrung, daß ein Ausgleich der Unterschiede im Ablauf der Zeit Schicksal verhindert. Der Himmel wird entmachtet durch die Eingriffe des sozialen Menschen, so daß Lebensentwürfe aus der Ordnung kommen. Das wird vom Einzelnen nicht mehr wahrgenommen, da für ihn der Augenblick zählt, aber auch die intellektuelle Gleichschaltung die innere Ruhe nicht mehr gewährleistet, die für die Wahrnehmung notwendig ist.
Die soziale Gerechtigkeit nimmt dem Einzelnen die notwendigen Ereignisse, die für seine individuelle Entwicklung vorgesehen sind und nimmt für sich in Anspruch, dies einfordern zu können.
Dadurch wird dem Einzelnen die persönliche Erfahrung, die für seine Individualität notwendig ist, genommen. Dadurch entsteht eine Gesellschaft, die keine Individualität, keinen Schöpfersinn und keine eigene Identität mehr hat. Sie verliert die Unterscheidbarkeit, die von den Politikern gewünscht, ist, - so sei es egal, in welchem Land und Kultur der einzelne geboren ist, aber nicht nur das, es sei auch egal, in welcher Kultur oder in welchem Land der Einzelne leben möchte, - denn seine Individualität prägt sich nicht mehr aus seiner Sprache, seinem Habitus und seiner Kultur, die zu ihm paßt, sondern daraus, daß ihm soziale Gerechtigkeit entgegenkommt. Diese zeigt sich für die Politiker darin, daß es um die Kindergartenplätze, die gleiche Erziehung, die gleiche Sprachentwicklung, die gleiche Leistung, die gleiche Schulausbildung, das gleiche Studium oder das gleiche Handwerk geht.
So entsteht eine Mehrheit von Selbständigen, die nicht mehr eigenständig sind, weil ihr Werdegang von der sozialen Mehrheit bestimmt wird. Dies erklärt sich darin, daß es möglich ist, einen Zug von Hamburg nach München fahren zu lassen, in dem sich fertig ausgebildete Manager befinden, die, da sie keinen Job finden, dort trainiert wurden, sich systemkonform darzustellen, - ersetzbar und unidentifizierbar. Das Schlimmste daran war aber, daß diese jungen Menschen dieses Training gar nicht notwendig hatten, da sie alle schablonenhaft und nicht unterscheidbar eingestiegen sind.
Ein Beispiel sei mein Werdegang: Mit fünfzehn Jahren wurde ich in den Krieg geschickt, ich kam zurück und fand die Entwicklung zum Sozialstaat vor. Eine eigene Gedankenwelt war in diesem sich entwickelnden Sozialstaat unerwünscht. Insofern habe ich dem Staat untersagt, mich zu beurteilen, Ich wählte einen Weg, der der Kontrolle des Staates entging. Für mich bot sich schicksalshaft die Astrologie an, da sie die Wahrung der Individualität garantiert. Mein Ziel war die Übermacht der Wissenschaft, die ein soziales Instrument ist, zu brechen. Aus diesem Grunde widmete ich mich der Wettervorhersage und stellte dabei fest, daß die Meteorologie ein Fach für die Universität ist, weil sie die Beobachtung der Vergangenheit als Dogma einer Vorhersage nutzt.
Mir gelang es das Wetter astrologisch zu berechnen, wobei es nicht wesentlich ist, ob es für die Vergangenheit oder für die Zukunft ist. Es ist unwichtig, ob es das Wetter von Morgen oder das Wetter für einen Dienstag in drei Jahren ist. Und diesen Erfolg kann ich nicht sozial ausgleichen.
Es geht darum eine Gesellschaft entstehen zu lassen, in der der Einzelne seinen mitgegebenen Fähigkeiten gemäß sich entwickeln kann und nicht etwas zugeteilt bekommt, das nicht in seinem Möglichkeiten liegt.
Im Bayerischen gibt es den Spruch „Nichts ist so schlimm, daß es nicht irgendetwas Gutes hätte“, was bedeutet, daß ein schreckliches Ereignis notwendig ist, um seine Unterscheidbarkeit, seinen Lebensweg zu finden. Da aber nicht durch jedes Unglück eine Unterscheidbarkeit möglich wird, sterben viele kollektiv.
Und dies ist soziale Gerechtigkeit, denn die Unterscheidbarkeit setzt die Eigenständigkeit voraus.
Wolfgang Döbereiner
22. Juli 2013